1.Mai - solidarisch ist man gemeinsam

Foto: Geralt auf Pixabay

26. April 2021

Mit dem Begriff „1.Mai-Tag der Arbeit“ können noch einige etwas anfangen, mit dem Begriff „1.Mai-Kampftag der Arbeiterklasse“ wohl kaum jemand. Nur sehr wenige finden den Weg zu einer Kundgebung, viel beliebter sind die Mai-Wanderungen.

Ich finde das bedenklich, ich maße mir aber nicht an, die Arbeitnehmer*innen, die nicht den Tag der Arbeit entsprechend begehen, zu kritisieren.

In der Mitte des 19.Jahrhunderts, durch die Erfindung der Dampfmaschine, entstanden neue Fertigungsweisen, ein neues Arbeitstempo und riesige Kapitalkonzentrationen, die industrielle Revolution nahm ihren Lauf. Immer mehr Handwerker-und Bauernsöhne strömten in die neuen Fabriken. Der Begriff des Proletariers entstand, abgeleitet vom lateinischen Wort „Proletarius“, was so viel bedeutete wie „der unteren Volksschicht angehörend“. Das Leben dieser Proletarier war geprägt von langen Arbeitszeiten, unmenschlichen Arbeitsbedingungen, fehlender soziale Absicherung und unmenschlichen Wohnverhältnissen.

Von meinem Berufsleben, das mehr als 52 Jahre dauerte, arbeitete ich rund 30 Jahre in der Privatwirtschaft, beginnend 1961. Viele verwenden statt Privatwirtschaft den Begriff „Freie Wirtschaft“. Als gäbe es eine unfreie Wirtschaft und es stellt sich die Frage, wer ist denn frei, die Arbeitnehmer wohl nicht. Als Lehrling im Büro „durfte“ ich alle Hilfsarbeiten verrichten, die so anfielen, Schriftgut ablegen, Botengänge aller Art, Portobuch führen usw. Naiv, wie ein junger Mensch ist, glaubte ich, an einen Vertrag müssten sich beide Seiten halten. Im Lehrvertrag stand eindeutig, dass ich nur zu Arbeiten herangezogen werden darf, die meiner Berufsausbildung dienen. Als ich der Aufforderung, den Schnee vom Gehsteig zu schippen, nicht nachkam, glich das fast einer Revolution.

Als Beschäftigter in einem großen Versicherungskonzern, war die Bezahlung inklusive betrieblicher Sozialleistungen für örtliche Verhältnisse sehr gut. Ob es ein gerechter Anteil am Gewinn des Unternehmens war, bezweifle ich.

Einst sagte der Vorstandsvorsitzende, er habe nachgedacht, wie man Arbeitsplätze schaffen könnte. Wenn bei einer Gruppe von 10 Sachbearbeitern alle auf 10% ihres Einkommens verzichten, könnte ein 11. eingestellt werden. Auf die Gegenfrage, ob das im Vorstand schon so praktiziert wurde, gab es keine Antwort und das Thema war vom Tisch.

Auch bei uns kam es zur Einführung der Computer. Die radikale Änderung des Arbeitsablaufes wurde klein geredet. Man könne nicht von einem Computerarbeitsplatz reden, man spricht auch nicht von einem Telefonarbeitsplatz. Augenuntersuchungen, geeignete Beleuchtung und gute Stühle gab es erst nach langem Kampf des Betriebsrates.

Eines Tages, besser bei einer Nacht-und Nebelaktion, verkaufte unser Hauptaktionär unseren Konzern an die Allianz. Wieder wurde das ganze bagatellisiert, es sei doch nur ein Aktionärswechsel. Die Wirklichkeit sah anders aus. Das dezentrale System mit 29 Niederlassungen wurde aufgelöst, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gekündigt. Ein paar wenige Kollegen*innen kamen im neuen Konzern unter.

Meine eigenen Erfahrungen enden in den 90.Jahren des letzten Jahrhunderts.

Wie sieht es heute aus? Auch dazu einige Beispiele. Es ist noch nicht so lange her, da wurde die Bayreuther Filiale eines internationalen Tabakkonzerns geschlossen. Arbeiteten die Mitarbeiter*innen schlecht, war die Ertragslage schlecht. Beides traf nicht zu. Aber in Osteuropa konnte man, bedingt durch niedrige Löhne noch mehr Gewinn machen, was interessieren da die vielen Arbeitnehmerschicksale.

Die Deutsche Post, deren Privatisierung ich auch heute noch für grundfalsch halte, brüstet sich über enorm gestiegenen Gewinn. Diesen haben ausschließlich die Paketzusteller*innen erwirtschaftet. Kein Wort von besserer Vergütung und/oder mehr Personal.

Große Teile der Wirtschaft können nur überleben durch staatliche Hilfen. Schaut man auf den Deutschen Aktienindex kommt man aus dem Staunen nicht heraus. In der größten Krise der Bundesrepublik steigen die Aktienkurse auf ungeahnte Höhen.

Pfeif auf die Krise, vergessen die staatlichen Hilfen beim Kurzarbeitergeld, die Aktionäre bekommen mehr Dividende als vor der Krise, bei Daimler. Das Resümee aus den genannten Beispielen.

Die Arbeits-und Lebensbedingungen der Arbeitnehmerinnen haben sich dank zähen Kämpfen der SPD, des DGB und vieler Betriebsräteinnen stark verbessert. Die Arbeitskraft ist wertvoller geworden. Geblieben ist die gewaltige Macht des Kapitals. Das muss sich ändern. Wird aber nur gelingen, wenn immer mehr Arbeitnehmer*innen sich bewusstwerden. Nichts wird geschenkt oder kommt von selbst, alles muss erkämpft werden und das geht am besten gemeinsam.

Hans Dötsch SPD AG 60+ KV Bayreuth Land

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