Deutschland - ganz persönlich

Ein Schild an der ehemaligen grenze mit Zeitangabe zur Wiedervereinigung
Foto: rihaij auf facebook

24. September 2020

Deutschland - ganz persönlich

Als ich geboren wurde, am 27.7.1945, war der schreckliche 2.Weltkrieg bereits beendet. Vom anderen Teil Deutschland war bei uns zuhause kaum die Rede und wenn doch einmal, hieß das „ Ostzone „.

Es muss Anfang der 50-iger Jahre gewesen sein, als meine Großeltern Besuch von einem früheren Heinersreuther bekamen, der nun in der Ost-Zone wohnte. In Erinnerung ist mir geblieben, dass er viel und laut sprach und die DDR in den höchsten Tönen lobte.

So um 1957/58 kam es zu innerdeutschen Sportbegegnungen. In Heinersreuth spielten die Mannschaften von BSG Motor Gotha und Lengenfeld aus dem Vogtland. Diese Begegnungen wurden von vielen Zuschauern verfolgt und ich war einer davon.

Am 12.81961 stand ich als neuer Jungsozialist mit zehntausenden von Menschen auf dem Hauptplatz in Nürnberg. Es sprach auch Willy Brandt, damals Regierender Bürgermeister von Berlin. Er sagte sinngemäß, er müsse heute noch nach Berlin, denn da braut sich etwas zusammen.
Im Juni 1962 fuhr ich mit einer Delegation der fränkischen SPD nach Berlin. Wir wollten im Bus das Spiel der Nationalmannschaft in Chile gegen Jugoslawien verfolgen, doch vom Volkspolizisten: „ Radio aus „.

Bedingt durch den Viermächtestatus von Berlin, gab es in Ostberlin noch SPD-Mitglieder, die von allen Kontakten abgeschnitten waren. Es wurden Besuchergruppen gebildet, die die Genossen aufsuchen sollten, ausgerüstet mit Zigaretten, Obst und Schokolade und natürlich einem Codewort. Auch ich besuchte mit einer Gruppe die Genossen in Ostberlin.
Da aus unserer Gruppe einer wegen Mängel am Ausweis, nicht nach Ostberlin durfte, waren wir zu zweit, ein 19-jähriger und ein noch nicht ganz 17-jähriger. Uns fiel sofort auf, dass an den Hausfassaden, der abgebröckelte Putz durch Transparente mit Parolen, überdeckt wurde. Als ich zu meinem Freund sagte, auf der Übersichtskarte der S-Bahn, stehe noch Stalinallee, stand plötzlich ein Mann hinter uns, aber der wollte nur aussteigen. Endlich hatten wir unser Ziel erreicht. Der alte Genosse und Gewerkschaftler war zunächst misstrauisch, doch dann hätten wir uns fast verplaudert. In Erinnerung ist mir der Satz geblieben: „schickt uns Gewehre und dann legen wir ihn um den Spitzbart“. Das deckte sich fast mit dem Wunsch der Passanten an der Bernauer Straße, die nach der Bundeswehr riefen. Unsere Gastgeber erzählten uns auch von der Aktion der FdJ, Antennen, die nach Westen gerichtet waren, zu entfernen. Am Grenzübergang erlebte ich dann noch eine überaus „freundliche“ Volkspolizistin. Kurz vor der festgesetzten Zeit, 24:00 Uhr, erreichten wir wieder Westberlin.

Während meiner Bundeswehrzeit hörten wir immer die DDR-Sender „Deutscher Soldatensender“ und „Freiheitssender 904“. Diese Sender waren über die Bundeswehr gut informiert.

1968, während des Prager Frühligs war es immer wieder Thema: Würden Deutsche auf Deutsche schießen, wenn es zum Ernstfall kommt? Ich fürchte, wir hätten geschossen, von beiden Seiten…

1976 als unsere beiden Ortsvereine Heinersreuth und Altenplos wieder Berlin besuchten, fand in Ostberlin die Spartakiade statt. Bei der Eröffnungsfeier marschierte die Gesellschaft für Sport und Technik marschierte ein. Die erste Reihe hatte Stiefel an, die anderen Turnschuhe. Meine diesbezügliche Frage wurde beantwortet, dass nur die Gruppenführer Stiefel tragen.

1987 folgte ein Privatbesuch in Meiningen und ein Jahr später besuchten beide Ortsvereine u.a. die Wartburg. Für uns Touristen aus dem Westen war in Bad Liebenstein exzellentes Abendessen vorbereitet und die Einheimischen standen vor dem Lokal Schlange und mussten warten, bis die „Westler“ wieder weg waren. Ich bin ganz komisch vorgekommen.

1989 auf einem Seminar in Schney stürmte plötzlich ein Genosse in den Raum und rief „Die Grenze zwischen Thüringen und Franken ist offen“. Nachmittags bereits bestimmten die Zweitakter die A9. In unserer Firma richteten wie eine Kaffee- und Teestube für die Besucher aus der DDR ein. Im gleichen Haus befand sich auch eine Boutique mir exklusiver Bekleidung, natürlich mit den entsprechenden Preisen. Ein Beispiel: Damenpullover für 800.—DM. Unsere Gäste meinten, wir alle würden dort einkaufen und wir hatten Mühe, sie vom Gegenteil zu überzeugen.

Mittlerweile reiste ich mehrmals in die neuen Bundesländer, ganz privat, in unsere Partnergemeinde Schwarzkollm (Stadt Hoyerswerda) und zu Freunden nach Thüringen.

Ich lernte liebenswerte Menschen kennen, sehr schöne Landschaften und einen Teil der Kultur der Sorben in der Lausitz.

Für mich ist die Wiedervereinigung ein wertvolles Geschenk. Dass die Kohlregierung den Menschen den Raubtierkapitalismus überstülpte, war ein großer Fehler. Im Raum Hoyerswerda entdeckte ich 1996 ein Schild auf dem die Privatisierung öffentlicher Wohnungen angepriesen wurde. Welch ein Wahnsinn!! Die Lebensleistung der Menschen in der DDR wurde viel zu wenig gewürdigt. Ich bin aber überzeugt von den Worten von Willy Brandt. „Es wächst zusammen, was zusammengehört.

Hans Dötsch, Vorsitzender AG 60+ Bayreuthland

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